Moore

Wo der Schutz der Schweizer Moore begann

Am 6. Dezember 1987 sagte die Schweiz Ja zur eidgenössischen Volksinitiative «zum Schutz der Moore – Rothenthurm-Initiative». Damit stellte sie Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung unter Schutz. Nichtsdestotrotz kann die Moorebene von Rothenthurm heute nur dank Regenerationsmassnahmen erhalten werden.

Rothenthurm liegt im Hochtal der Biber im Kanton Schwyz. Dass der kleine Ort schweizweit zum Begriff wurde, verdankt er der Initiative, die seinen Namen trägt und die im Abstimmungskampf für rote Köpfe sorgte. Mit einem Ja-Anteil von 57.8 Prozent war die Rothenthurm-Initiative erst die neunte Initiative, die das Schweizer Stimmvolk und die Stände angenommen haben. Sie sprachen sich damit für den Schutz der Moorlandschaften aus, die etwa 2.1 Prozent der Fläche der Schweiz ausmachen.

Seither sind fast 35 Jahre vergangen. Im Leben eines Menschen ist dies eine lange Zeit. Für ein Moor hingegen ist diese Spanne nur ein Augenblick. «Wie viele Moore nahmen auch diejenigen im Hochtal der Biber ihren Anfang nach der letzten Eiszeit vor rund 8000 Jahren», sagt Bastien Amez-Droz, Projektleiter Schutzgebiete und Moore bei Pro Natura. «Sie entwickeln sich äusserst langsam.» Den Beginn machen Flachmoore, die sich mit der Zeit in Übergangsmoore und schliesslich in Hochmoore verwandeln.

Ausgedehntes Moorgebiet

Im Hochtal von Rothenthurm finden sich allein zwischen Rothenthurm und Biberbrugg acht Flachmoore sowie rund zehn Übergangs- und Hochmoore, wie ein Blick in die entsprechenden Bundesinventare zeigt. Das ganze Gebiet ist zudem im Bundesinventar Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung aufgeführt. Es umfasst eine Fläche von knapp 1140 Hektaren, die zu den Gemeinden Einsiedeln, Feusisberg, Oberägeri und Rothenthurm in den Kantonen Schwyz und Zug gehört.

Wie bei vielen Flachmooren ist auch bei jenen in Rothenthurm eine extensive landwirtschaftliche Nutzung nötig und erwünscht. Die Bauern dürfen die Feuchtwiesen mähen, um daraus Streue zu gewinnen. Ein Teil der Moorfläche darf jedoch erst im September zurückgeschnitten werden. Dann sind die Schmetterlinge, die dort als Ei abgelegt wurden, geschlüpft, und der Nachwuchs der bodenbrütenden Vögel ist flügge. Der Abbau von Torf hingegen ist nicht mehr gestattet. Die kleinen Holzhütten, in denen der Torf einst getrocknet wurde, damit er als Heizstoff dienen konnte, sind aber noch da.

Dank der Rothenthurm-Initiative sind in der Schweiz heute insgesamt 1332 Flachmoore von nationaler Bedeutung geschützt. Bei den Hochmooren haben alle 551 nationale Bedeutung und stehen ebenfalls unter Schutz. Hinzu kommen 89 geschützte Moorlandschaften. Der Schutz der Moore erfolgte sozusagen im letzten Augenblick: Laut dem Bundesamt für Umwelt BAFU wurden in den letzten 200 Jahren fast 90 Prozent der Schweizer Moore zerstört. Diese Moorgebiete machten rund vier Prozent der Landesfläche aus. Mit der Annahme der Rothenthurm-Initiative konnte der weitere Verlust von Moorfläche fast vollständig gestoppt werden, hielt das BAFU 2018 in einem Bericht fest.

Die Rothenthurmer Moore sind zu trocken  

Der gesetzlich festgeschriebene Schutz der Moorgebiete allein bedeutet allerdings nicht, dass sie sich in einem guten Zustand befinden. «Von den übrig gebliebenen Mooren sind lediglich 10 Prozent intakt», sagt Bastien Amez-Droz. Auch die Moorgebiete von Rothenthurm sind betroffen. Beim Bau der Eisenbahnlinie und der Strasse durch das Hochtal, die vor der Initiative erfolgten, wurden die Oberflächenwasserflüsse unterbrochen, welche die Moore speisten. Bachkorrekturen und Gräben veränderten die hydrologische Beschaffenheit des Moorgebiets weiter, sodass es insbesondere im Sommer unter Trockenheit leidet. «Ein Moor benötigt Wasser, das möglichst lange bleibt. Entwässerungssysteme bewirken genau das Gegenteil: Sie sorgen dafür, dass das Wasser schnell abgeführt wird», sagt Bastien Amez-Droz.

Ohne Eingriffe würden sich die Moore bei Rothenthurm zurückbilden und anderen Lebensräumen Platz machen. Naturfachstellen der Kantone und Pro Natura treffen deshalb punktuelle Regenerationsmassnahmen bei den Mooren und falls nötig auch in deren Einzugsgebieten. Ziel ist es, dass die Moore wieder mit genügend Wasser versorgt werden, um Torf ansetzen zu können. Bei einigen Arbeiten werden schwere Bagger eingesetzt, was zuweilen die Kritik von Wanderinnen und Wanderern heraufbeschwöre. ««Ohne Baumassnahmen können wir keine langfristigen hydrologischen Verbesserungen erreichen.  Weil der torfige Boden sehr empfindlich ist, stehen die schweren Maschinen auf Holzmatratzen. Nach den Arbeiten kann es zwar ziemlich braun aussehen, aber schon nach zwei bis drei Jahren hat sich das Moor erholt und der Gewinn für die Biodiversität überwiegt den Eingriff bei weitem »», sagt Bastien Amez-Droz.

Weiter soll mit den Massnahmen der Lebensraum der typischen Moorpflanzen- und -tierwelt erhalten werden. In Rothenthurm trifft man zum Beispiel das Scheiden-Wollgras, die Zwergbirke, den rundblättrigen Sonnentau und zahlreiche Orchideenarten an. Im Moor wohl fühlen sich auch seltene Libellenarten wie die arktische Smaragdlibelle, die schwarze Heidelibelle und die kleine Moosjungfer. Letztere lebt fast ausschliesslich in den regenerierten Flächen. Das seltene Braunkehlchen hingegen, für das im Frühling und Sommer Wegabschnitte gesperrt werden, ist nicht wegen des Moors in Rothenthurm: Es schätzt die dortige offene Landschaft und extensive Landwirtschaft.

Moore sind gut fürs Klima

Der Schutz von Mooren ist aber auch aus einem anderen Grund wichtig: «Moore sind der weltweit beste Lebensraum zur langfristigen Speicherung von Kohlestoff», sagt Bastien Amez-Droz. Normalerweise zersetzen sich abgestorbene Pflanzen. Dabei wird der in ihnen enthaltene Kohlenstoff als CO2 in die Luft abgegeben. In Mooren findet der Zersetzungsprozess nicht oder nur unvollständig statt, weshalb der Kohlestoff im Torf eingelagert wird. Und das in grossen Mengen: «Moore enthalten einen ganzen Drittel des in der Biosphäre gespeicherten Kohlestoffs, dabei machen sie nur drei Prozent der Landfläche aus», sagt Bastien Amez-Droz. Auch in dieser Hinsicht haben die Moorgebiete von Rothenthurm eine Bedeutung weit über sich selbst hinaus.

Der vollständige Beitrag erschien in der Zeitschrift Wandern/Randonner der Berner Wanderwege.
Foto: Karin Meier