Tablet Amigo

Kleine Helfer für ältere Menschen

Ausgefeilte technische Lösungen mit ansprechendem Design und simpler Bedienung erleichtern älteren Menschen das selbstständige Wohnen zuhause. Sie fordern bei einem Sturz oder in anderen Notlagen Hilfe an, erleichtern die Kommunikation mit Angehörigen oder erinnern an die Einnahme von Medikamenten.

Wer ein Smartphone besitzt, kann sich ein Leben ohne diesen handlichen Begleiter gar nicht mehr vorstellen: Es bietet uns Zugang zu allen Informationen im Internet, ermöglicht die Kommunikation mit Familie, Freunden und Geschäftspartnern auf verschiedenen Kanälen und ist Navigationsgerät, Portemonnaie, Fotoapparat, Videokamera und vieles mehr in einem. Wer den Weg vom ersten simplen Handy bis zu den neusten Smartphone-Versionen mitgemacht hat oder gar mit ihnen aufgewachsen ist, kommt mit der Bedienung meist gut zurecht. Manche ältere Menschen haben diese technologische Entwicklung jedoch nicht miterlebt: Sie besitzen weder ein Smartphone noch einen Internetanschluss und leben nach wie vor analog. Hier setzt Active Assisted Living (AAL) an. Dieser englischsprachige Begriff bedeutet aktives assistiertes Leben und ersetzt die frühere Bezeichnung Ambient Assisted Living. Die Idee dahinter: Moderne Technologien fördern das aktive, sprich selbstständige Leben im Alter.

Wissenschaft als Brückenbildnerin

Damit die technologischen Anwendungen den Weg von den Tüftlern in die Wohnstuben finden, ist viel Arbeit nötig. Eine wichtige Brücke zwischen den Entwicklern und den Nutzern bildet die Wissenschaft. Das Institut für Altersforschung (IAF) der Fachhochschule St. Gallen sowie die Denkfabrik iHomeLab der Hochschule Luzern zum Beispiel erforschen und testen neue Produkte und Dienstleistungen mit den avisierten Anwendern. Dies sind etwa ältere Privatpersonen und deren Angehörige oder Mitarbeitende von Spitex-Organisationen und Pflegeheimen. Sie alle nutzen die neuen Lösungen bei sich zu Hause bzw. in ihrem Arbeitsalltag. Ihre Rückmeldungen ermöglichen es den Herstellerfirmen, die Produkte und Dienstleistungen wo nötig anzupassen und besser auf die Bedürfnisse des Marktes abzustimmen. «Manche Entwickler haben zwar eine tolle Idee, konzentrieren sich aber zu sehr auf die Technik. Sie vergessen dabei, dass das ästhetische Empfinden von älteren Menschen nicht abnimmt. Im Gegenteil: Diese wünschen sich Produkte mit ansprechendem Design, die sie vor einem Besuch nicht wegräumen müssen, weil sie ihnen peinlich sind», sagt Sabina Misoch, Leiterin des IAF.

Hilfe bei einem Sturz

Die Sicherheit von alleinlebenden älteren Menschen zu erhöhen, ist eine wichtige Aufgabe von AAL-Lösungen. In vielen Pflegeheimen im Einsatz ist der Notfallknopf, der etwa mittels Armband oder Uhr am Körper getragen wird. Stürzt eine Person, drückt sie auf den Notfallknopf, und der vorab definierte Notfallkontakt wird angerufen. Andere Systeme berücksichtigen, dass Menschen den Notfallknopf nicht immer bei sich haben oder so unglücklich fallen können, dass sie nicht in der Lage sind, ihn zu drücken. Sie überwachen das Zuhause mittels Sensoren und fordern Hilfe an, sobald sie einen Sturz feststellen. Manche machen dazu Kameraaufzeichnungen, andere arbeiten mit Wärmebildern. Die deutsche Firma Future-Shape hat eine Zwischenlage für Fussböden entwickelt, die integrierte Sensoren zur Sturzdetektion enthält. Sie können mit der Beleuchtung und Alarmsystemen vernetzt werden: Läuft der Bewohner über den Boden, geht bei Dunkelheit das Licht an, kommt ein Einbrecher hinein, wird ein Alarm ausgelöst. «Solche Notfallsysteme sind, wie ihr Name schon sagt, für Notfälle gedacht. Sie sollen da unterstützen, wo sie gebraucht werden. Und sie sollten so funktionieren, dass sich die Menschen nicht überwacht, sondern beschützt fühlen», so Andrew Paice von der Denkfabrik iHomeLab.

Caru reagiert auf Hilferufe

Einen anderen Weg geht die Schweizer Firma Caru mit ihrem gleichnamigen Produkt. Caru funktioniert zwar auch mit Sensoren, doch diese detektieren keinen Sturz. Vielmehr reagieren sie auf Sprachbefehle. Ruft man die Worte «Hilfe, Hilfe», stellt das Gerät eine Telefonverbindung zu einer vorab definierten Person her. Caru hört etwa so gut wie eine Person, sodass pro Wohnung ein Gerät ausreicht. «Wir haben Caru umfassend getestet: Das Gerät versteht einen Hilferuf sogar, falls man etwas nuschelt. Selbst bei Menschen mit beginnender Demenz funktioniert er, weil auch sie in einer Notlage meist instinktiv um Hilfe rufen», sagt Susanne Dröscher, Gründerin und Co-CEO von Caru. Die Idee für das Produkt kam ihr, nachdem eine ältere Angehörige nach einem Sturz mehrere Stunden auf dem Boden lag, bevor sie gefunden wurde. Den konventionellen Notfallknopf hatte diese zu dem Zeitpunkt nicht getragen, weil sie ihn als stigmatisierend empfunden hatte. «Wir haben von Anfang an auf hochwertiges Design geachtet, denn ein Gerät nützt nur dann etwas, wenn es von den Besitzern akzeptiert wird. Caru soll Freude ins Leben bringen.», sagt Susanne Dröscher. Seit Kurzem ist das Gerät um eine Chatfunktion erweitert, die ebenfalls über Sprachbefehl aktiviert wird und auf Sprachnachrichten basiert. Für Privatpersonen ist Caru wegen der Coronavirus-Pandemie derzeit zum Sonderpreis von 250 Franken sowie einer monatlichen Servicegebühr (inkl. eingebauter SIM-Karte) von 45 Franken erhältlich.

Soziale Kontakte pflegen 

Wie Caru dienen auch weitere AAL-Anwendungen dazu, Einsamkeit vorzubeugen. Familink der Firma AsWeShare zum Beispiel ist ein Bilderrahmen mit einem 10 x 15 Zentimeter grossen Bildschirm, auf den Familienmitglieder und Freunde Bilder sowie bis zu 1000 Zeichen lange Textnachrichten schicken können. Dies ermöglicht es älteren Menschen, am Familienleben aus der Ferne teilzunehmen. Dank einer integrierten 3G-SIM-Karte benötigen sie dafür weder WLAN noch einen Internetanschluss. Überhaupt ist die Bedienung sehr einfach: Der Familink fährt von alleine hoch, nachdem er eingesteckt worden ist. Der Bilderrahmen ist für knapp 160 Franken erhältlich. Falls er über die SIM-Karte genutzt wird, kommen monatliche Abonnementskosten hinzu.

Das in einen Bio-Holzrahmen eingefasste Tablet Amigo der Marke Samsung wurde eigens für ältere Menschen entworfen. Es enthält eine Vielzahl von Funktionen wie Videoanrufe, Austausch von Fotos, Erinnerungen an die Medikamenteneinnahme, Kalender, Adressbuch, Spiele sowie E-Mail und Internet. Nichtsdestotrotz bietet es im Vergleich zu herkömmlichen Tablets deutlich weniger Möglichkeiten. Dies und die übersichtliche Darstellung macht die Bedienung auch für ältere Menschen sehr einfach. Amigo kostet 295 Franken. Hinzu kommen monatliche Abonnementskosten von 29 Franken für die ersten beiden Benutzer.

Bislang noch nicht in der Schweiz eingesetzt, aber hierzulande erhältlich, ist die digitale Assistentin Emma. Sie ist modular einsetzbar und bietet Hilfestellungen für individuelle Bedürfnisse. In der Basisversion lassen sich über Emma Notrufe tätigen, zudem kann Emma ihren Benutzer an die Medikamenteneinnahme, ans Trinken und an Termine erinnern. Die Basisversion kann für 880 Euro angeschafft werden. Hinzu kommen monatliche Servicekosten ab 43.90 Euro.

Text: Karin Meier

Bild: Stoob

Tages Anzeiger: Kleine Helfer mit grosser Wirkung