Paarberatungsstelle

Ausstieg aus dem Beziehungsknatsch

Wie geht man mit dem Partner um, der einen verletzt hat? Paare in der Krise und solche, die diese vermeiden wollen, finden bei der kirchlichen Paarberatungsstelle Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Menschen, welche die Treppe zur Beratungsstelle Ehe Partnerschaft Familie in der Berner Altstadt hochsteigen, haben einen gemeinsamen Wunsch: mit dem Partner oder der Ehefrau schwierige Themen ansprechen können, ohne dass das Gespräch in Vorwürfen, Streit oder Schweigen ausartet. Einige stecken in einer Beziehungskrise. Sei es, weil einer der Partner eine Affäre hat, arbeitslos wurde, schwer erkrankt ist oder einen anderen Schicksalsschlag erlitten hat. Andere haben sich bereits für eine Trennung entschieden, möchten diese aber anständig abwickeln. Wieder andere sind in Beziehungsdingen unerfahren und suchen Unterstützung. «Gerade jüngere Menschen kommen, um zu lernen, wie sie eine Beziehung pflegen können», sagt der Theologe David Kuratle. Er ist einer der vier Beratenden mit zusammen 190 Stellenprozenten.Wie seine Teamkolleginnen und -kollegen besitzt er eine anerkannte Zusatzausbildung in systemischer Therapie und Beratung und ist Mitglied beim Berufsverband Systemis. Betrieben wird die Beratungsstelle Ehe Partnerschaft Familie von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Diese führt im ganzen Kanton insgesamt zehn Beratungsstellen.

Den gemeinsamen Nenner finden

478 Menschen suchten letztes Jahr bei der Stadtberner Beratungsstelle Hilfe. Die meisten kamen zu zweit, etwa ein Viertel nahm den Weg allein auf sich. Die Berater führten überdies 18 Gespräche mit Familien, bei denen die Kinder flügge wurden oder die bei der Betreuung eines betagten Elternteils an ihre Grenzen stiessen. Insgesamt leisteten sie 1534 Beratungsstunden.

In der ersten Sitzung gilt es, das Anliegen des Gegenübers herauszuschälen. «Bei Paaren suche ich nach der gemeinsamen Schnittmenge der Anliegen», sagt David Kuratle. Dabei kann sich herausstellen, dass die vermeintlich beschlossene Trennung gar nicht das Ziel ist. «Manchmal sind Paare so in ihren Verhaltensmustern gefangen, dass sie im ersten Moment keine Alternative zur Trennung sehen», so David Kuratle. Ist der Auftrag geklärt, gibt er den Klientinnen und Klienten eine Aussenperspektive auf ihr Verhalten und sucht nach den tieferliegenden Emotionen dahinter. «In konflikthaften Situationen erleben beide ihr Gegenüber als Feind. Zu ihrem eigenen Schutz hören sie auf, sich verletzlich zu zeigen. Daraus entsteht eine Dynamik, an der beide Anteil haben und die sie nur zusammen lösen können», sagt David Kuratle. Haben die Klienten ihr Verhalten reflektiert, könnten im Therapiesetting neue, konstruktive Verhaltensmuster entstehen. Diese müssen die Paare zuhause im Alltag einüben, manchmal mit individuell angepassten Hausaufgaben. «Die entscheidenden Dinge passieren daheim», sagt David Kuratle.

Während der Zeit des Lockdowns sprachen die Klienten mit ihrem Berater über Video. Die Sitzungen fanden tendenziell öfter statt, dauerten aber weniger lange. Dass sich in dieser Zeit Beziehungsprobleme grundsätzlich verstärkt hätten, hat David Kuratle nicht festgestellt: «Das viele Zusammensein mit dem Partner bzw. der Familie hat sich für manche Paare belastend ausgewirkt. Bei anderen war das Gegenteil der Fall: Sie erlebten, wie gut der Partner die Kinder betreut, und fanden eine neue Wertschätzung füreinander.»

Offen für Menschen aller Religionen

Im Schnitt kommen die Menschen drei- bis viermal in eine Beratung. Die Klienten übernehmen so viel der Kosten von rund 200 Franken pro Stunde, wie sie sich leisten können. Der Rest wird über Beiträge der Mitgliedskirchgemeinden, des Synodalverbands, des Kantons Bern und über Spenden abgegolten. «Wir sind der Kirche sehr dankbar, dass sie mit ihrem Engagement das Angebot ermöglicht und dass es für alle Menschen zugänglich ist – unabhängig von ihren ökonomischen Verhältnissen», sagt David Kuratle. Um mit Hilfe eines Beraters an seiner Beziehung arbeiten zu können, muss man nicht Mitglied der reformierten Landeskirche zu sein: Die Beratungsstelle Ehe Partnerschaft Familie steht Menschen aller Religionen offen.

Zum vollständigen Beitrag in der Zeitung reformiert.

Bild: Frank Winkler, pixabay