Er sei «im 13. Lehrjahr», sagt der Münster-Betriebsleiter und -Sigrist Felix Gerber zu seiner Anstellung. Im Interview spricht er darüber, was er in dieser Zeit alles entdeckt hat, warum das Neujahrsgeläut so anstrengend ist und wie er sich von seiner Arbeit erholt.
Das Neujahrsgeläut am 1. Januar um 16 Uhr im Münster hat Tradition. Was ist Ihre Rolle dabei?
Felix Gerber: Ich bin der Interpret der Komposition unseres Organisten Daniel Glaus. Er überreicht mir die Partitur zwei bis drei Tage vorher auf einem A3-Blatt. Darauf ist vermerkt, welche unserer sieben schwingenden Glocken von wann bis wann klingen sollen. Ich setze mich dann hin und rechne aus, wann ich welche Glocke an- und abstellen muss, damit sie zum gewünschten Zeitpunkt klingt. Dabei muss ich berücksichtigen, dass jede Glocke eine andere Vor- und Nachlaufzeit hat, bis sie ertönt bzw. zu der sie noch ertönt. Zudem prüfe ich, ob die Minimalabstände zwischen dem Abschalten und Wiedereinschalten eingehalten werden. Das Resultat meiner Berechnungen ist ein sekundenscharfes, 18-seitiges Excel-Sheet. Damit ist es aber noch nicht getan: Beim Neujahrsgeläut muss ich nicht nur diese 18 Seiten und den Funkwecker mit sekundengenauer Zeit im Blickfeld haben sowie die richtigen Glockenschalter zum richtigen Zeitpunkt betätigen, sondern auch genau darauf achten, welche Glocke allenfalls träger wird. Denn durch häufiges Anfahren und Abbremsen erhitzen sich ihre Motoren. Dies führt dazu, dass die Glocken langsamer reagieren. Stelle ich eine Differenz zu meinem Excel-Sheet bzw. der Funkuhr fest, muss ich sofort im Kopf einberechnen, was dies für die Vor- und Nachlaufzeit der betreffenden Glocke bedeutet. Für mehr als drei Glocken kann ich dies jedoch nicht gleichzeitig tun, wenn überhaupt. Nach dem Geläut bin ich denn auch fix und fertig.
Sie sind der Initiant des Neujahrsgeläuts. Wie kam es dazu?
Mir war schon vor meinem Stellenantritt im September 2007 klar, dass die Münsterglocken punkto Alter, Guss- und Klangqualität zu den weltweit sieben kostbarsten Geläuten zählen. Ich fand es wichtig, das Bewusstsein für Glockengeläut im Allgemeinen und für dasjenige des Münsters im Speziellen in der Öffentlichkeit zu stärken. Zudem bietet das Neujahrsgeläut jenen Menschen einen Moment der Besinnung, denen das Feiern des Jahreswechsels um Mitternacht mit dem Feuerwerk auf dem Münsterplatz zu laut ist. Daniel Glaus und danach auch der Kirchgemeinderat waren mit meinem Vorschlag sofort einverstanden, und so konnten wir das Neujahrsgeläut auf den 1. Januar 2008 einführen. Bei gutem Wetter zieht es mittlerweile gegen 5000 Leute an.
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reformiert: «Das Neujahrsgeläut bietet einen Moment der Besinnung»
Bild: Béatrice Devènes