Ein Streetworker besucht die Klientinnen und Klienten da, wo sie ihre Freizeit verbringen: auf der Strasse. Eine offene Einstellung, eine regelmässige und verbindliche Präsenz sowie viel Fachwissen sind ein Muss für den Aufbau guter Arbeitsbeziehungen. Unterwegs mit der Streetworkerin Julia Nievergelt in Langenthal.
Wenn andere Mittagspause machen, fängt für Julia Nievergelt die intensivste Zeit ihrer Arbeit als Streetworkerin an. Jeden Mittwoch um 11 Uhr verlässt sie ihr Büro an der Bahnhofstrasse in Langenthal. Umgehängt hat sie einen grossen schwarzen Rucksack. Er ist mit dem Logo ihrer Arbeitgeberin gekennzeichnet, der Stiftung CONTACT. Die Stiftung engagiert sich dafür, dass die Risiken und Folgeschäden des Drogenkonsums gering bleiben, und trägt so zur Schadensminderung bei. Im Rucksack befindet sich Infomaterial zum sichereren Drogenkonsum, zu den Rechten von Menschen auf der Strasse, den Angeboten der Stiftung und weiteren Themen, welche die Klientinnen und Klienten beschäftigen könnten. Nicht fehlen dürfen die Beatmungsmaske und die Notfallapotheke für den Fall, dass jemand wegen einer Überdosis einen Kreislaufkollaps erleidet. In deren Handhabung wird Julia Nievergelt regelmässig geschult. Anwenden musste sie sie seit ihrem Stellenantritt im November 2018 jedoch noch nicht.
Begegnungsort Wuhrplatz
Julia Nievergelts Ziel ist der fünf Gehminuten entfernte Wuhrplatz. Der grosse Platz ist ein Begegnungs- und Durchgangsort für Menschen aller Couleur. So auch für jene, die Drogen konsumieren. Zu ihnen gesellt sich die Streetworkerin. «Im Winter sind um die 5 bis 10 Personen hier versammelt, im Sommer deutlich mehr», sagt Julia Nievergelt. Insgesamt setzt sich die Gruppe aus etwa 40 Personen zusammen, etwas mehr Männern als Frauen im Alter von rund 35 bis 65 Jahren. Manche sind jede Woche vor Ort, andere nur gelegentlich, wieder andere fast nie. Mittlerweile kennt Julia Nievergelt die meisten und muss sich und ihre Arbeit nicht mehr so oft vorstellen. Auch das Gespräch kommt schnell in Gang: In der Regel hat jemand ein Anliegen. «Das Themenspektrum ist sehr weit. Zur Sprache kommen Fragen rund um die Arbeit, finanzielle Sorgen, die Gesundheit, Beziehungsprobleme und die Handhabung von Drogen», sagt Julia Nievergelt.
Manche Fragen kann die Streetworkerin direkt beantworten. Als Mitarbeiterin der Stiftung CONTACT kennt sie sich mit dem möglichst sicheren Umgang mit Drogen aus. Sie weiss, worauf beim Konsum der gängigsten Drogen und Mischungen zu achten ist, welches Vorgehen beim Konsum von unbekannten Stoffen – wie Heroin mit ungewissem Reinheitsgrad – die Gefahr einer Überdosis mindert und welche Meinungen zum sicheren Konsum reine Ammenmärchen sind. Bei anderen Anliegen bietet Julia Nievergelt Hilfe zur Selbsthilfe. «Bittet mich zum Beispiel jemand, für ihn eine neue Wohnung zu finden, so kläre ich erst meine Rolle und das mögliche Unterstützungsangebot. Ich mache mich nicht selbst auf die Suche, sondern unterstütze die Person darin, ihr eigenes Netzwerk zu aktivieren: Kennt sie vielleicht jemanden, der eine Wohnung zu vermieten oder zu teilen hat? Zudem achte ich darauf, dass immer alle beteiligten Akteure miteinbezogen werden. Im Falle einer Wohnungssuche etwa ist bei den meisten Klientinnen und Klienten das Sozialamt zuständig.»
Zum vollständigen Artikel:
Berner Zeitung: Porträt der Streetworkerin Julia Nievergelt der Stiftung Contact