Maren Urner am WKS HR Forum

«Ein emotionaler Bezug zum Lerninhalt ist essenziell»

Die Neurowissenschaftlerin und Autorin Maren Urner spricht im Interview über eine verantwortungsvolle Mediennutzung, Fake News und die positive Kraft von Veränderungen. Am 27. Januar trat sie am 25. Berner Wirtschafts- und HR-Forum der WKS KV Bildung als Key Note Speaker auf.

Sie setzen mit Ihrem Online-Magazin «Perspective Daily» einen Kontrapunkt zu den meist von negativen Meldungen geprägten Medien. Warum halten Sie positive Nachrichten für so wichtig?

Maren Urner: Beim Konstruktiven Journalismus geht es nicht um positiven Journalismus oder positive Nachrichten. Der Konstruktive Journalismus hat genau die gleichen Ansprüche, kritischer Journalismus zu sein wie andere Formen des Journalismus auch. Der Konstruktive Journalismus informiert jedoch lösungsorientiert. Bei den gängigen Formen des Journalismus wird hingegen erwiesenermassen zu negativ gefärbt und zu oft negativ berichtet. Das führt zunächst dazu, dass die Leser ein zu negatives – nicht der Realität entsprechendes – Weltbild bekommen. Man könnte nun meinen, dann hätten sie einen grösseren Anreiz, sich den dargestellten Herausforderungen und Problemen zu stellen. Genau das ist jedoch nicht der Fall. Denn angesichts der vermeintlich schlechten Weltlage können Menschen in einen Zustand der erlernten Hilflosigkeit gelangen. In der Folge wenden sie sich von den Medien und der Politik ab, weil es ihnen zu viel wird.

Woher kommt der Fokus aufs Negative?

Zu Zeiten der Säbelzahntiger und Mammute war es wichtig, dass unser Gehirn sehr schnell auf negative Nachrichten reagiert. Denn eine verpasste negative Nachricht konnte den Tod bedeuten. Unser Gehirn funktioniert noch immer auf dieselbe Weise. Die negativen Nachrichten haben sich aber multipliziert. Heute prasseln sie 24 Stunden am Tag auf allen Kanälen auf uns ein. Dies ist nicht mehr überlebensförderlich, sondern kann zu chronischem Stress führen.

Viele Menschen sind dauernd online. Wie wirkt sich diese ständige Bereitschaft auf die Psychohygiene aus?

Wir sollten uns mehr Gedanken dazu machen, welche Informationen wir an das wohl sensibelste Organ heranlassen, das wir haben: unser Gehirn. Denn jede Information, die wir konsumieren, verändert etwas in unserem Gehirn – wir sind keine neutralen Beobachter, die nur wahrnehmen. Zudem führt die Dauerverfügbarkeit von Informationen auf verschiedensten Kanälen und unsere Dauerbereitschaft zu Stress. Wir sprechen von der Fear of Missing out (FOMO), der Angst, etwas zu verpassen. Menschen jeden Alters sind davon betroffen, nicht nur die Generation Smartphone.

Dann sind da noch die Fake News.

Sie sind kein neues Phänomen. Vermutlich existieren sie, seit es News gibt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Beispiel wurden in der New York Sun Zeichnungen vom Mond veröffentlicht, auf denen menschenähnliche Wesen herumsprangen. Im Unterschied zu damals können heute dank der Digitalisierung alle zu Herausgebern werden. Dadurch entsteht ein höheres Einfallstor für Fake News. Von den Rezipienten ist deshalb eine hohe Medien- und Informationskompetenz bzw. die Fähigkeit zum kritischem Denken gefordert. Die Bildungspläne müssten dem Rechnung tragen.

Die Arbeitswelt 4.0 ist geprägt von der Digitalisierung und laufendem Wandel in den Abläufen und der Struktur von Organisationen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Veränderung ist an sich etwas Gutes, da sie uns fit hält. Es gilt jedoch die richtige Balance zwischen Gewohnheiten und Neuem zu finden. Wenn wir jeden Tag zur Arbeit kommen und nicht wissen, was uns erwartet, führt dies zu grosser Unsicherheit und Angst. Arbeitgeber können dem entgegenwirken. Wenn sie für klare Prozesse sorgen, ermöglichen sie Gewohnheiten, die den Mitarbeitenden eine gewisse Grundsicherheit vermitteln. In jenen Bereichen, in denen Veränderungen anstehen, sollten sie die Mitarbeitenden partizipativ einbinden und nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Dies fördert die Motivation wie auch die Bereitschaft und Fähigkeit, Neues zu lernen.

Wie lernen wir am besten?

Menschen lernen generell gut über Visuelles. Deshalb sind Bilder hilfreicher als reiner Text. Das liegt vermutlich darin, dass wir Bilder schon viel länger kennen als die Schrift. Zudem ist ein emotionaler Bezug zum Lerninhalt essenziell. Je stärker wir gefühlsmässig beteiligt sind, desto besser speichert unser Gehirn das Gelernte ab. Das ist der Grund, warum alle, die alt genug sind, noch genau wissen, was sie an 9/11 gemacht haben. Natürlich gibt es auch individuelle Unterschiede beim Lernen. Manche Menschen nehmen Neues besonders gut auf, wenn sie es hören, andere, indem sie es anfassen. Die Lerntypen-Theorie, die sich einst aus dieser Erkenntnis entwickelt hat, ist mittlerweile jedoch höchst umstritten.

Wie nutzen Sie selbst die Medien und die Sozialen Medien?

Ich habe eine relativ gut ausgeprägte Routine. Als Quellen nutze ich Twitter, verschiedene Newsletter und Websites, die ich regelmässig besuche. Was sich über den Tag ansammelt, lese ich abends. Sollte sich etwas über die Woche anhäufen, arbeite ich dies am Wochenende auf. Wenn ich nicht hinterherkomme, entscheide ich bewusst, was ich konsumieren will und wie ich mir die nötigen Freiräume schaffe.

Interview: Karin Meier

Bild: Patric Spahni

Berner Bär: Interview mit Maren Urner